Geschichte und Geschichten in Targoviste

Targoviste gehört zu den Städten, die eine große Bedeutung für die rumänische Geschichte haben: als ehemalige Residenz der Fürsten der Walachei, ehemaliger Sitz der rumänischen Orthodoxie, Begräbnisort des Fürsten Mihai Viteazul und zwei Hinrichtungen, über die nicht gern gesprochen wird.

 

Razvad

 

Bevor wir nach Targoviste kommen, sehen wir auf der einfahrenden Straße ein riesiges Stop-Schild, wundern uns und fahren weiter. Wenig später wenden wir doch um, um das Schild zu fotografieren. Bei unseren Recherchen, wie der Ort mit dem Schild, der kurz vor Targoviste liegt, heisst, sind wir darauf gekommen, dass dies das größte Schild Rumäniens ist. Grund: exakt an dieser Stelle sind schon mehrere Unfälle mit tödlichem Ausgang passiert. Passend dazu steht an der Ecke eine kleine Kapelle.

 

 

Fürstenhof

 

Von 1400 bis zur Zerstörung durch die Türken im Jahr 1659 war Targoviste Hauptstadt der Walachei und nach dem Wiederaufbau durch Constantin Brancoveanu bis 1714 Fürstensitz. Jetzt ist es eine „normale“ Stadt mit ca. 90.000 Einwohnern.

 

 

"Er hat einen nach dem anderen Mircea den Alten, Fürst Dracula, Vlad den Pfähler, Radu den Großen, Radu aus Afumati, Mihai den Tapferen, Matei Basarab gesehen, alle unsre großen Herrscher, die berühmtesten sowohl im Frieden als auch im Krieg" Mit „er“ ist der Turm des Fürstenhofes gemeint. Die Inschrift ist ein Zitat aus einem Text des Historikers Nicolae Balcescu aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Balcescu gilt als einer der bedeutendsten rumänischen Historiker und da er sich für eine sehr notwendige Landreform aussprach, wurde er insbesondere in der kommunistischen Zeit gewürdigt. Auch heute noch sind viele Straßen und Plätze nach ihm benannt.

 

 

Der Turm des Fürstenhofes wurde um 1460 unter Vlad Tepes erbaut, der historischen Vorlage von Bram Stokers „Dracula“. Im Turm selbst gibt es heute eine kleine Ausstellung zu Vlad Tepes.

 

Eigentlich wäre hier der Ort, um etwas über Vlad Tepes zu schreiben. Später mal wird’s jedoch einen Extra-Bericht über ihn geben. So viel vorab: In Rumänien wird er keineswegs negativ gesehen sondern gilt als bedeutender Herrscher. Hart, aber gerecht (wobei „hart“ noch sehr verharmlosend ist). Und mit Vampirismus wurde er nie in Verbindung gebracht: Der Zusammenhang Vampir – Vlad Tepes ist eine reine Erfindung von Bram Stoker. Wer an der Person von Vlad Tepes ernsthaft interessiert ist: Hier stand seine Residenz und hier ist DER Ort, auf seinen Spuren zu wandeln, auch wenn vieles zerstört ist. Auf dem „Dracula-Schloss“ in Bran war Vlad Tepes nie.

 

 

Anbei noch ein Bild des zumindest in Rumänien berühmten Malers Theodor Aman aus den 1860er Jahren (Aman ist Rumäne armenischer Herkunft). Über dem Bild steht: Vlad Tepes - Held der anti-türkischen Kämpfe darunter: Vlad Tepes empfängt die türkischen Gesandten Es soll die folgende Szene dargestellt sein: die türkischen Gesandten kamen vor Tepes und trugen ihren Text vor. Dabei behielten sie ihre Turbane auf dem Kopf. Auf seine Frage, wieso sie vor dem Herrscher nicht ihre Kopfbedeckungen abnehmen, antworteten sie, dass es bei ihnen Sitte sei, die Turbane aufzubehalten. Darauf hin soll Tepes befohlen haben, dass ihnen die Turbane mit Nägel auf dem Kopf fixiert werden und sie heimgeschickt haben, mit der Botschaft an den Sultan, er möge weder ihn noch andere Herrscher in Zukunft mit den Traditionen seiner Heimat belästigen.

 

 

Die Fürstenkirche ist größtenteils restauriert, jedoch stehen im Innenraum noch Gerüste wg. Restaurierung der bedeutenden Fresken. Die originale Ausmalung stammt von Constantinos vom Berg Athos, dem Lieblingskünstler des Fürsten Brancoveanu.

 

 

Auf dem Gelände des ehemaligen Fürstenhofes befindet sich noch die Klosterkirche sowie ein Buchdruck-Museum. Nicht weit weg davon entfernt steht ein Denkmal von Vlad Tepes.

 

 

Kathedrale

 

Etwas weiter weg steht die byzantinische Kathedrale aus dem 16. Jahrhundert, die Ende des 19. Jahrhunderts neu aufgebaut wurde. Bis 1688 war die Kathedrale Sitz der rumänischen Orthodoxie.

 

 

Kloster Dealu

 

Das Kloster „auf dem Hügel“ ist vor allem deshalb berühmt, weil hier das Haupt des Fürsten Mihai Viteazul bestattet ist.

 

 

Mihai Viteazul („der Tapfere“) ist möglicherweise derjenige, dessen Denkmal am häufigsten in Rumänien zu sehen ist. Das liegt daran, dass der spätere Nationalheld im Jahr 1600 (allerdings nur für ein paar Monate) die drei Fürstentümer Walachei, Moldau und Siebenbürgen erstmals gewaltsam vereinte. Militärisch erfolgreich gegen die Türken unterlag Mihai schließlich den mit den Türken verbündeten Polen und fiel später einem habsburgischen Attentat zum Opfer.

 

 

Nach seinem Tod wurde sein Kopf heimlich ins Kloster Dealu gebracht. In den Wirren des 1. Weltkriegs ging der Kopf auf Reisen bis zur Krim und wurde 1920 feierlich im Beisein von König Ferdinand in einem Marmorsarkophag beigesetzt.

 

 

Mehrere Fürsten, darunter der Klosterstifter Radu cel Mare („der Große“) ruhen in der Klosterkirche

 

 

Zum Radu gibt’s eine schöne Geschichte, die hier dargestellt ist: 1) Radu erlaubt seiner verwitweten Schwester eine neuerliche Heirat. 2) Darauf hin wird Radu vom Heiligen Nifon verflucht. Nifon verlässt das Land und Radu stirbt. 3) Der Leichnam stinkt erbärmlich. Radus Nachfolger Neagoe Basarab (wir kennen ihn aus Curtea de Arges) lässt Knochen vom mittlerweilen auf dem Berg Athos verstorbenen Nifon bringen und Radus Sarg öffnen. 4) Radu stinkt immer noch erbärmlich und Neagoe fleht um Vergebung für seinen Vorgänger. 5) Wunder: von den heiligen Knochen ergießt sich ein duftender Strom Wassers und die Überreste Radus sind jetzt wohlriechend.

 

 

Hier ist Makarie (Makarius) dargestellt. Darunter ist eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht: "Hier, in einer der ältesten Druckereien slawischer Sprachen, einer Gründung von Radu dem Schönen, hat der Priestermönch Makarie zwischen den Jahren 1508 und 1512 die ersten gedruckten Bücher auf rumänischem Gebiet hervorgebracht." Jetzt weiss man auch, warum auf dem Gelände des ehemaligen Fürstenhofs das Buchdruck-Museum untergebracht ist.

 

 

Zuschlechterletzt

 

1821 stellt sich Tudor Vladimirescu an die Spitze einer revolutionären Bewegung gegen das Feudalsystem und die türkische Vorherrschaft und war Anführer eines Volksaufstandes in Walachei und Moldau. Zusammen mit einigen seiner Anhänger wird er festgenommen und in Targoviste hingerichtet. Heute gilt Vladimirescu in Rumänien als Nationalheld. Nicht als Nationalheld gilt Nicolae Ceausescu. Nach ihrer Flucht aus Bukarest im Dezember 1989 werden ihm und seiner Frau Elena in der Garnison von Targoviste ein kurzer Prozess gemacht und beide werden dort erschossen. Was man auch immer von den beiden halten mag – rechtsstaatlich ging’s da nicht zu. Immerhin hatte die ganze Aktion den Vorteil, zwei Sündenböcke zu haben und dass die „zweite Reihe“ jetzt ganz unschuldig war und für’s erste die Macht übernehmen konnte. Geschichte ist nicht jedermanns Sache. Aber wer sich ernsthaft für Rumänien und seine Geschichte interessiert, sollte Targoviste auf jeden Fall einen Besuch abstatten