Mal was für Burgenfreunde: Hunedoara

Wer diese Zeilen liest, hat die Burg schon mal gesehen. Sie war dermaßen häufig in internationalen Filmen, Fernsehserien und Werbespots zu sehen, dass es kaum vorstellbar ist, dass es jemanden gibt, der sie noch nicht gesehen hat. Allerdings nicht als Burg Hunedoara bzw. Hunyadi (so der ungarische Name). Wir wollen der Burg, die im Südwesten Siebenbürgens nahe dem Banat liegt, einen Besuch abstatten.

Zu sehen war Hunedoara unter anderem in "48 Stunden Angst" oder einem der folgenden Filme: "Martin Luther", "Nostradamus", "Heinrich der 8.", "Michelangelo Buonarotti", "Francois Villon", "Barbarossa", "Ghost Rider 2", "The Damned Kings", "Blood Rayne" oder "Les rois maudits" mit Gérard Depardieu. Oder in einem Lied mit Kelly Clarkson: http://www.youtube.com/watch?v=0X5ndSEihWw

 

 

Zuerst geht’s durch die Stadt Hunedoara, die ca. 70.000 Einwohner hat. Und am Anfang kommen wir aus dem Staunen kaum heraus: Es sieht so aus, als ob der Weihnachtsmann mit seinem Gefolge seine Sommerresidenz erstellt hätte. Es ist nicht schwer zu erraten, wem die Häuser gehören: zu Geld gekommenen Roma. Es sind nicht alle so drauf, aber viele neigen zu solchen Spielereien.

Teilweise werden Roma-Häuser sogar in Reiseführern erwähnt, diese hier sind aber ziemlich neu (und damit noch nicht in den Reiseführern) und die mit Abstand schönsten, die wir gesehen haben.

 

 

Auf den Häusern steht groß, wem das Haus gehört, meistens der Vorname. Die hier ansässigen Roma neigen aber auch zur Selbstironie. Einer nennt sein Haus „Haus des Diebes“. Ich gehe davon aus, dass es sich um einen Spitznamen handelt. Ein richtiger Dieb würde das wohl kaum öffentlich machen.

Untiges Haus trägt den Namen „Piedone“. Übersetzt heisst das „Plattfuß“. Das heisst jetzt nicht, dass da einer mit Plattfüßen drinnen wohnt, sondern einer, mit dem man sich lieber nicht anlegen sollte – mit „Piedone“ ist Bud Spencer gemeint. Nicht nur hier, sondern in ganz Rumänien. Das kommt aus seinem Film „Sie nannten ihn Plattfuß“, der sich in Rumänien großer Beliebtheit erfreut.

 

 

Nicht allen Roma geht es so gut wie diesen Hausbesitzern in Hunedoara. Sie haben Probleme mit den Rumänen, bei denen sie ausgesprochen unbeliebt sind, und teilweise haben sie Probleme mit den Behörden. Vor allem haben die Behörden Probleme mit ihnen: Roma lieben ihre Freiheit und gehen den Behörden gerne aus dem Weg: Sie heiraten nicht behördlich, zeigen Geburten nicht an, geben schulpflichtige Kinder nicht bekannt. Wenn sie Unrecht erleiden, fügen sie sich oft in ihr Schicksal und wehren sich nicht. Anders ausgedrückt: sie sind politisch kaum aktiv, haben keine repräsentative Interessensvertretung und die Behörden somit keine Ansprechpartner. Mädchen werden schon sehr früh verheiratet, teilweise noch vor der Pubertät. Dieser Punkt war eines der Hauptprobleme bei den Beitrittsverhandlungen Rumäniens zur EU: Wie wollt ihr verhindern, dass es in eurem Land so etwas wie Zwangsverheiratungen oder Kinderehen gibt?

Es gibt viele Roma, die integriert sind (wie unsere Häuslebauer), viele aber auch nicht. Und die Zahl der Roma in Rumänien ist nicht bekannt. Die Schätzungen gehen von 600.000 bis zu drei Millionen, wobei sich viele allerdings zeitweilig oder dauerhaft im westlichen Europa aufhalten.

 

 

In unseren 5 Wochen Rumänien-Aufenthalt haben wir denn auch nur wenige Roma gesehen. Mit einem sind wir mal ins Gespräch gekommen; ansonsten konnte man deutlich an den Bauten erkennen, dass hier Roma wohnen: entweder in verspielten Neubauten wie denen in Hunedoara oder in Roma-Siedlungen, die qualitativ in die gegenteilige Richtung gingen. Um es vorsichtig auszudrücken.

Wer an seriösen Informationen über Roma interessiert ist (also weder Gutmensch-mäßig noch hetzerisch), dem sei der „Pester Lloyd“ empfohlen, Tageszeitung für Ungarn und Osteuropa. Schwerpunkt liegt natürlich auf Ungarn, ist aber auch für Rumänien eine sehr nützliche Quelle. Anbei der Link zu den Roma-Berichten:
http://www.pesterlloyd.net/Links/suche/suche.html?cx=partner-pub-2377804231135252%3Abu4tzqlvg7j&cof=FORID%3A10&ie=windows-1250&q=roma&sa=Suche&siteurl=www.pesterlloyd.net%2F&ref=&ss=1282j618946j4

 

 

Nun aber zur Burg: Im 14. Jahrhundert wurde an der Stelle, an der früher ein römisches Castrum war, eine Burg oberhalb des Flusses Cerna erbaut. Als Dank des ungarischen (und auch deutschen) Königs Sigismund für militärische Verdienste bekam die Burg der aus der Walachei eingewanderte und kurz zuvor geadelte Voicu Corbu geschenkt. Dieser Rumäne heiratete eine Ungarin aus dem Hochadel und bekam den Sohn Johann. Dieser heiratete ebenfalls eine Ungarin und bekam einen Sohn namens Matthias. Bitte diesen Umstand „abspeichern“; zum Schluss wird der noch mal wichtig.

 

 

Corbu“ heisst „Rabe“ und um diesen Raben kreisen mehrere Legenden. Eine besagt, dass, als Matthias in Prag gefangen gehalten wurde, ihm seine Mutter einen Brief durch einen Raben zusenden konnte. Dies ist der Grund, warum später die Königlich-Ungarische Post einen Raben als Symbol hatte.

 

 

Voicus Sohn Johann erweiterte die Burg im größeren Stil. Und dieser Johann ist nun äußerst interessant. Auf ungarisch hieß er Janos Hunyadi, auf rumänisch Iancu de Hunedoara. Hunyadi bzw. Hunedoara ist der Name des Gutes, das zur Burg gehörte.

Johann Hunyadi stand seit 1430 im Dienste König Sigismunds, den er 1431 zum Reichstag nach Nürnberg begleitete und dabei zusah, wie Sigismund Vlad Dracul zum Ritter des Drachenordens schlug und zum Fürsten der Walachei erhob.

Im Herbst des gleichen Jahres begleitete Johann König Sigismund nach Italien und lernte dort Francesco Sforza und das moderne Kriegswesen kennen, das nicht mehr auf Adelsaufgebote zurückgriff, sondern auf Söldnern aufbaute. Und 1439 wurde er vom neuen König, Albrecht II. in den Hochadel erhoben.

Um es kurz zu machen: Für viele Jahre war Johann Hunyadi die bestimmende Figur des ungarischen Militärs und der ungarischen Politik. Und kämpfte mehrfach große Schlachten gegen die Türken und (politisch) gegen den ungarischen Hochadel, der ihn als Emporkömmling ansah und ihn oft massiv behinderte.

 

 

Nach dem Tode Albrechts II. war Hunyadis Stimme Ausschlag gebend für die Personalunion Ungarns mit der Großmacht Polen-Litauen und dem König Wladislaw. Anders konnte man den immer stärker werdenden Türken kaum Herr werden. Um mit der Legende aufzuräumen, dass das christliche Europa geschlossen gegen die Türken kämpfte – dem war nie so. Dem standen Handelsinteressen entgegen (etwa die von Genua) genau so wie politische Interessen, die christliche Konkurrenz nicht zu groß werden zu lassen. Und Ungarn/Polen-Litauen war ein verdammt großer Brocken, den man lieber allein gegen die Türken kämpfen ließ.

In der Schlacht von Warna 1444 fiel König Wladislaw und die ungarisch-polnische Union löste sich auf. Neuer König von Ungarn sollte ein Kleinkind werden: Ladislaus Posthumus, der beim Tode seines Vaters Albrecht II. noch gar nicht geboren war. Bis zu dessen Mündigkeit sollte Johann Hunyadi als Reichsverweser die Geschicke Ungarns leiten.

Die letzte Schlacht war die Verteidigung von Belgrad 1456 gegen die Türken. Die glückte zwar, aber drei Wochen danach starb Johann Hunyadi an der Pest. Um Wikipedia zu zitieren: „Im historischen Gedächtnis ist Hunyadi derart als die Inkarnation christlichen Rittertums verankert, dass vergessen wird, dass er sowohl ein berühmter Heerführer als auch ein großer Staatsmann war. Es wurde gesagt, dass er mit dem Kopf statt mit seinem Arm kämpfte. Er war der erste, der die Unzulänglichkeit und Unzuverlässigkeit der feudalen Steueraushebungen erkannte, der erste, der eine reguläre Armee im großen Maßstab einsetzte, und der erste, der sich mehr auf Strategie und Taktik als lediglich auf Tapferkeit verließ“.

 

 

Für alle Dracula-Freunde: Johann Hunyadi hatte in mehreren Kämpfen mit dem Fürsten der Walachei, Vlad Dracul, als Bündnispartner zu tun, der aber als unsicherer Kantonist galt. Auf Grund der Stärke der Osmanen war Vlad zu einer Art Schaukelpolitik gezwungen. Bis es Hunyadi reichte. Es kam 1447 zum Kampf, in dem Vlad Dracul unterlag, er selbst bei der Flucht erschlagen wurde und sein Sohn Mircea in Targoviste hingerichtet wurde.

Vlads zweiter Sohn, Vlad Draculea, später Vlad III. mit dem Beinamen „Tepes“ (der Pfähler) und heute als „Dracula“ bekannt, wurde von Johann Hunyadi erst als Unruhestifter abgetan. Später, nach Ärger mit dem neuen Fürsten der Walachei, Vladislav II., war Vlad doch willkommen und 1452 zu Besuch auf „unserer“ Burg und 1456 nahm Hunyadi ihn mit nach Buda, wo er ihn dem neuen König vorstellte. Im gleichen Jahr wurde Vlad Fürst der Walachei.

 

 

Wer bislang noch nicht wusste, dass die Ungarn ein großes Geschichtsbewusstsein haben: Hier ist das Bild von Johann Hunyadis Grab in Alba Iulia. Wohlgemerkt: Alba Iulia liegt nicht in Ungarn, sondern in Rumänien.

 

 

Und sein Sohn Matthias sollte als Matthias Corvinus („der Rabe“) neben dem heiligen Stefan Ungarns bedeutendster König werden. Anbei ein Denkmal von ihm in Cluj und eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der gleichen Stadt.

Hier die Übersetzung: „Dies ist das Geburtshaus von Matthias Corvinus, der Sohn des großen Fürsten Siebenbürgens und Herrscher Ungarns, Iancu von Hunedoara. Der Rumäne Matthias Corvinus wird als größter aller ungarischen Könige angesehen auf Grund der Erfolge während seiner Herrschaft 1458 -1490“

Wer glaubt, "der Rumäne Matthias Corvinus" sei als Provokation gedacht, wird sehr wahrscheinlich richtig liegen. Damit sind wir bei den rumänisch-ungarischen Streitigkeiten angelangt, die sehr starken Einfluss haben auf die rumänische Tagespolitik und von denen wir später noch hören werden.

Einer der Streitpunkte ist zumindest für einen Außenstehenden klar zu entscheiden: Johann Hunyadi und Matthias Corvinus werden von rumänischen Historikern zwar gerne als Rumänen bezeichnet, tatsächlich aber haben sie sich als Ungarn gefühlt und waren im ungarischen Staatsdienst tätig.

 

 

Und unsere Burg Hunedoara kam 1724 in österreichischen und ist seit 1918 in rumänischem Staatsbesitz.

Wer sich in Zukunft einen mittelalterlichen Film ansieht, sollte mal genauer auf die Burg achten. Vielleicht handelt es sich dabei um Hunedoara/Hunyadi.