Alba Iulia hat eine große Geschichte. Ausgehend von diesem Potential haben sich die verantwortlichen Kräfte zusammen gesetzt und etwas wirklich Gutes geschaffen. Es macht richtig Spaß, sich im historischen Zentrum aufzuhalten.
So nah, und doch so fern: Schon wieder eine Stadt, deren Namen ich vorher noch nie gehört hatte und von der ich hinterher begeistert war. Auf unserer Rumänien-Reise ging das mir vorher schon einige Male so und hinterher auch noch.
Am frühen Abend kamen wir in der etwas abseits gelegenen Pension an, waren von dieser Pension und unserem Zimmer aber sehr angetan. Wir wollten die Zeit noch nutzen für einen kleinen Stadtbummel. Ich hatte keine Ahnung, was da auf mich zukommt und war hinterher restlos begeistert. Alba Iulia ist eine Festungs-Stadt, deren historisches Zentrum mit Millionen-Investitionen wiederbelebt wurde. Mit großartigem Ergebnis. Den Abend beschließen wir im „Pub 13“, einem großen mittelalterlichen Restaurant. Wenn ich mich noch recht erinnern kann, gab es die Speisekarte auch auf Deutsch. Leider gibt’s den Internet-Auftritt nur in rumänischer Sprache. Den link stelle ich trotzdem rein: Es lohnt sich, nur mal die Bilder davon anzusehen: http://www.pub13.ro/Galerie-foto.html
Hier in der Nähe war das Zentrum der Daker, die die Römer 106 besiegten und ihrerseits ein großes Castrum errichteten. Nach deren Abzug im Jahre 271, machten sich abwechselnd mehrere Germanen- und Slawenvölker hier breit, bis im 9. Jahrhundert die Ungarn erschienen und der Stadt den Namen Gyulafehérvár (Gyulas Weißenburg) gaben. Daraus entstand der rumänische Name Alba Iulia. Von 1541 bis 1690 war Alba Iulia Hauptstadt von Siebenbürgen. Als die Habsburger die Herrschaft über Siebenbürgen übernahmen, beschlossen sie den Bau einer Festung, die zwischen 1714 und 1738 errichtet wurde.
Und da sind wir am nächsten Morgen schon wieder. Noch vor der Festung befindet sich ein Triumphbogen, geschmückt mit den Statuen von Mars und Venus und Szenen der antiken Sagenwelt.
Nach dem Triumphbogen kommen wir zum Obelisken „Horea, Closca und Crisan“, der den Namen der Bauernführer trägt, die sich 1784 gegen das Feudalsystem auflehnten, gegen die drückende Abgabenlast, aber auch gegen die fehlenden Rechte der Rumänen. Horea reichte 1779 bei Joseph II. eine Petition ein, reiste viermal nach Wien zur Audienz beim Kaiser. Als das gar nichts brachte, machten die Bauern schließlich Rabatz. Der Aufstand wurde niedergeschlagen und die drei Anführer nach Alba Iulia gebracht , dort eingekerkert und hingerichtet.
Horea, Closca und Crisan kennt in Rumänien jedes Kind. Sie sind Ikonen des Widerstands gegen soziale Ungleichheit und ethnische Unterdrückung. Neben der Siegesgöttin ist noch die im Obelisken symbolisch errichtete Gefängniszelle erwähnenswert.
Nun aber zum Haupteingang der Festung, den barocker Figurenschmuck ziert. Das Tor krönt eine Reiterstatue von Kaiser Karl VI., in dessen Regierungszeit die Festung im Vauban-Stil erbaut wurde. Aus diesem Grund hat die Vauban-Gesellschaft Gelder für die Restaurierung der Anlage gegeben. Hier wie oftmals in anderen rumänischen Neubauten bzw. Restaurierungen ist ein großes Schild angebracht, auf dem steht, welches die Gesamtkosten sind und wer wie viel bezahlt hat bzw. zahlen wird. Der größte Teil kommt von der EU.
Neckisch ist die historische Wache, die an diesem und am gegenüber liegenden Tor Wache hält. Hauptsächlich aus touristischen Gründen. Mich hat da aber auch einer vom Eingangstor vertrieben, da ich an der Stelle, an der ich gerade fotografierte, eine Absperrung war. Nun gut.
Gleich links vom Haupttor steht das neu eröffnete Hotel „Medieval“, das einen sehr guten Eindruck macht, aber gar nichts mittelalterliches an sich hat. Auch hier habe ich den link zur Homepage: http://www.hotel-medieval.ro/index.php. Das ist zwar auch wieder nur auf Rumänisch, aber man kann sehr gute Fotos vom Hotel und von Alba Iulia sehen.
Auf der rechten Seite steht eine Steintafel, die den Kampf der Daker gegen die Römer darstellt. An der Universität vorbei gelangen wir zum Museum der Einheit und zum Saal der Einheit.
Hier versammelten sich 1228 Vertreter der Rumänen am 1. Dezember 1918 und riefen die Vereinigung des rumänischen Kernstaates (Walachei und Moldau) mit Siebenbürgen, dem Kreischgebiet, dem Banat und der Maramures aus, während um das Gebäude 100.000 Rumänen in ihren Trachten und mit Fahnen den großen Moment mit Hurra-Rufen bejubelten. Aus dem „Museum für Nationale Geschichte und Archäologie“ in Constanta habe ich zwei Bilder mit den Fahnen von dem Ereignis sowie einem Zeitungsausschnitt und der Delegation aus dem Dorf Galtiu (der Fotograf des Bildes, Samoila Marza, stammt aus dem gleichen Dorf‘). Auf dem Transparent steht "Es lebe die Vereinigung und das GROSSE RUMÄNIEN".
Rumänien trat 1916 auf Seiten der Entente in den 1. Weltkrieg ein. Es hat sich gelohnt. Neben den oben erwähnten Gebieten kamen noch die Bukowina und Bessarabien dazu – ein riesiger Gebietsgewinn. Grund dafür war, dass die westlichen Großmächte Rumänien als stabilen Puffer zwischen sich und Sowjetrussland installieren und die Habsburger-Monarchie endgültig zerschlagen wollten.
Hauptleidtragender war (und ist) Ungarn, das vor allem den Verlust Siebenbürgens schmerzlichst beklagte. Der Ort des Vertrages bzw. Diktates der Siegermächte, „Trianon“ (Lustschloss im Park von Versailles) ist ein ungarisches Trauma und wird auch heute noch häufig in der öffentlichen ungarischen Diskussion erwähnt.
Wer jetzt noch fehlt, ist Mihai Viteazul, der, wenn auch nur für kurze Zeit, die Fürstentümer Walachei, Moldau und Siebenbürgen vereinigt hat und somit wie kein anderer für das neue Groß-Rumänien steht. Und in Alba Iulia, der damaligen Hauptstadt Siebenbürgens, im Jahre 1599 triumphal Einzug hielt. Sein Denkmal steht auch nur ein paar Meter weiter.
Die Kathedrale St. Michael ist auch heute noch die Bischofskirche des römisch-katholischen Erzbistums Alba Iulia. Für Ungarn ist sie auch eine nationale Gedenkstätte und wird nach ihrem Gründer Stephan I. St.-Stephans-Kathedrale genannt. Nach der Zerstörung bei einem Tataren-Einfall wurde sie im 13. Jahrhundert neu erbaut. Im 15. Jahrhundert bestimmte Johann Hunyadi die Kathedrale zur Familiengrablege und ließ sie restaurieren. Mit dem Vordringen der Reformation im Königreich Ungarn Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Michaelskathedrale calvinistisch und blieb es in osmanischer Zeit. Unter habsburgischer Herrschaft wurden Kathedrale und Bistum um 1700 rekatholisiert.
Die „nationale Gedenkstätte“ Ungarns lässt sich nicht leugnen – man braucht sich nur die zahlreichen hinterlegten kleinen Kränze mit Bändern in den ungarischen Nationalfarben anzusehen. Am auffälligsten bei den Hunyadi-Gräbern: Neben dem ungarischen Nationalhelden Johann Hunyadi (siehe Bericht „Mal was für Burgenfreunde: Hunedoara“) liegen dessen Sohn Ladislaus und sein Bruder Johannes Miles.
Neben weiterer Gräber ungarischer Herrscher gibt es einige Gedenktafeln. Da weiss ich nicht, ob die Gräber bei der Rekatholisierung zerstört wurden oder ob die Leichname unter dem Kirchenboden eingelassen wurden. Interessant ist vor allem eine Gedenktafel aus dem Jahr 2010 zu Ehren des Bethlen Gabor, Fürst von Siebenbürgen, die besagt, dass die Tafel von den ungarischen Reformierten gesetzt wurde zu Ehren des siebenbürgischen Kopfes der Reformation und in Erinnerung an das goldene Zeitalter.
Durch einen 58 Meter hohen Glockenturm betritt man den stimmungsvollen, von Arkaden gesäumten Innenhof der Krönungs-Kathedrale. Die Krönungs-Kathedrale wurde 1921/22 eigens für die Krönung von Ferdinand I. und Maria als König und Königin des neuen Großrumänien erbaut.
Damit sind wir schon am Ende des historischen Zentrums angelangt, wo wir beim Stadttor Zeuge der Wachablösung und einer Parade der Festungswache werden. Alba Iulia hat uns sehr gut gefallen. Dort wurde die Chance ergriffen, mit Hilfe vor allem von EU-Geldern was Ordentliches und Nachhaltiges auf die Beine zu stellen. Alles wirkt wie „aus einem Guss“.
Die Chefin unserer Pension hatten wir darauf angesprochen, was da passiert sei: Der Bürgermeister hätte sich mit allen Leuten an den Tisch gesetzt und sie überzeugt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen (genau das ist das Problem in Rumänien) und aus dem bereits Vorhandenen etwas Großes aufzubauen. Sie haben’s geschafft!
Nachdem die Abrechnung per Kreditkarte bereits erledigt war, ist uns noch eingefallen, dass wir Getränke aus der Minibar entnommen hatten. Und haben das natürlich bezahlt. Das Restgeld hatte die Dame nicht parat. Wir wollten es ihr als Trinkgeld überlassen, da es uns hier so gut gefallen hatte: „Nein, in diesem Land ging es lange nicht korrekt zu. Es wird Zeit, dass wir mit dem Korrekten anfangen“. Dieser Spruch passte zu Alba Iulia und zwei Minuten später hatten wir das Restgeld.