Krimsekt trinkende Krimtataren

Höhe- und Schlusspunkt unserer Reise in die Ukraine sollte die Halbinsel Krim werden. Laut Reiseführer ist sie "der Edelstein im Schwarzen Meer … Es ist so, als ob Sardinien zu Deutschland gehören würde. Nicht nur Mais, Rüben und Kohl – Palmen, Zitronen, Magnolien, Zuckerrohr, Papyrus und Bambus wachsen hier". Wir befinden uns hier um den 45. Breitengrad, also in etwa die Höhe von Südfrankreich oder Norditalien.

Ursprünglich von Steppenvölkern wie den Tauriern und Skythen bewohnt, siedelten in der Antike die Griechen hier. Im Zuge der Völkerwanderung siedelten sich hier vor allem Goten an, später kamen und gingen weitere Völker. Im 13. Jahrhundert fielen die Tataren hier ein; Genueser und Venezianer errichteten Niederlassungen. Ende des 15. Jahrhunderts eroberten die Türken die Krim, Ende des 18. Jahrhunderts die Russen.

Im 2. Weltkrieg kam es zu heftigen Kämpfen. Mit Bezug auf die germanischen Goten sollte die Krim als "Gotengau" annektiert und mit Südtirolern besiedelt werden (das war die "Option", über die heute noch in Südtirol diskutiert wird; die Befürworter dieser Aktion wurden gerne als "Landesverräter" beschimpft).

Zum Gedenken an den vor 300 Jahren erfolgten Zusammenschluss des ukrainischen Kosakenstaates an Russland (das Denkmal des Kosakenführers Bogdan Chmelniecki ist das 2. Bild in meinem Kiew-Bericht), "schenkte" die Sowjetunion 1954 unter ihrem damaligen, aus der Ukraine stammenden, Regierungschef Nikita Chruschtschow die Krim der Ukraine. Ein symbolischer, reiner Verwaltungsakt. Dies ist der Grund, warum heute die Krim ein Teil der Ukraine ist. Dumm gelaufen.

Die Krim war Schauplatz mehrerer bedeutender geschichtlicher Ereignisse. Über die Krimtataren berichte ich in Bachtschissarai, über den Krimkrieg in Sewastopol und über die Jalta-Konferenz in Livadia. Die Älteren unter uns werden sich wahrscheinlich an ein Urlaubsbild von Anfang der 70er Jahre erinnern, als Leonid Breschnew und Willy Brandt im selben Boot saßen. Das war auf der Krim. Hier verbrachte Michail Gorbatschow im Sommer 1991 Urlaub und hier wurde er im Laufe des Putsches unter Arrest gestellt. Die Bilder von Boris Jelzin, der zur selben Zeit in Moskau auf dem Panzer stehend in ein Megaphon sprach, gingen um die Welt.

Heute ist die Krim eine autonome Republik innerhalb der Ukraine. Hat also ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und das Recht, über eingenommene Steuern selbst zu bestimmen. Die Bevölkerung besteht aus ca. 58% Russen, 24% Ukrainern, 12% Krimtataren und Sonstigen.

Großer Wirtschaftsfaktor, aber den Ukrainern auch nicht ganz geheuer ist die russische Schwarzmeerflotte, die vor Sewastopol ankert. Die Pachtverträge laufen bis 2042.


Jalta ist die Hauptstadt der Südküste und aufgrund des milden Klimas Urlaubs-Traum der Werktätigen des ehemaligen Sowjetreiches. Das Lenin-Denkmal steht noch und in seinem Wintermantel muss der arme Kerl heute auf eine McDonalds-Filiale schauen.

Landschaftlich liegt Jalta sehr schön. Die Uferpromenade ist auch recht neckisch und vor allem abends steppt hier und in den angesagten Tanzschuppen der Bär. Allerdings gibt es hier nur einen ziemlich kleinen Kiesstrand. Russen und Ukrainer sind davon offensichtlich begeistert; der verwöhnte Mitteleuropäer sollte es sich aber überlegen, einen Badeurlaub ausschließlich in Jalta zu verbringen.

Auch in der Innenstadt lässt sich schön bummeln. So manches Kleinod aus der Belle Epoque lässt sich erkennen, aber auch das ein oder andere Baufällige.

Der Dichter Anton Tschechow verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Jalta und genoss die hier herrschende Wärme.


Kurz vor dem ersten Weltkrieg wurde der Palast von Livadia als Sommerresidenz der Zarenfamilie fertig gestellt. Mehrere Ausstellungsstücke erinnern an diese.

Weltweit berühmt wurde der Palast, als hier im Februar 1945 die Konferenz von Jalta stattfand, auf der die 3 Mächte der Anti-Hitler-Koalition über die Nachkriegsordnung verhandelten. Die Bilder von Churchill, Roosevelt und Stalin gingen um die Welt. Hier wurde unter anderem die Aufteilung Deutschlands und Berlins in 3 Besatzungszonen beschlossen (später in 4 unter Einbeziehung Frankreichs).


1912 ließ ein deutscher Ölmagnat für seine Geliebte einen Bau im Stile eines mittelalterlichen Rheinschlosses errichten. Nach einem Erdbeben im Jahr 1927 ist das "Schwalbennest" erst wieder seit 1968 geöffnet. Wer rein will, sollte wissen, dass es nur zu Fuß hoch (und wieder runter) geht.


Vor der grandiosen Felslandschaft des Aj-Petri wirkt die Sommerresidenz des Generalgouverneurs von Neurussland, Graf Michail Woronzow, wie ein Palast aus Tausendundeiner Nacht. Ein Jahrhundert später genoss hier Winston Churchill während der Jalta-Konferenz das Leben.

Am Ausgang genießen wir noch einmal den Ausblick und die wunderbaren Löwen auf der Treppe zum Meer. Wenn irgend jemand die Absicht haben sollte, mich versteinern zu lassen – dann bitte in so einen Löwen.


"Palast im Garten" heisst die deutsche Übersetzung von "Bachtschissarai" und beinhaltet eine Moschee, ein Mausoleum, verschiedene Brunnen und natürlich den eigentlichen Palast mit Harem.

Im Zuge von Auflösungserscheinungen der Goldenen Horde der Mongolen entstand um 1430 das Krim-Khanat unter der Herrschaft einer Nebenlinie der Mongolenkhane, das weite Teile der heutigen Ukraine unter seine Kontrolle brachte. Bereits 1475 fiel es zwar unter osmanische Kontrolle, behielt jedoch ein gewisses Maß an Autonomie. Die Krimtataren unternahmen häufige Raubzüge in das ukrainische Binnenland und nach Russland und machten viele Gefangene, die sie anschließend als Sklaven in den Orient verkauften (mit ein Grund zur Abwehr der Tataren war der Ausbau der Festungen wie z.B. Chotyn). 1571 drangen sie bis nach Moskau vor, wurden aber im folgenden Jahr unter Iwan IV. dem Schrecklichen vernichtend geschlagen.

Ende des 18. Jahrhunderts wurden das Tataren-Reich schließlich von den Russen erobert, die die Tataren in die unfruchtbaren Gebiete im Inneren der Krim zurückdrängten. Hierauf kam es zu einer Massenflucht. Während des Krimkriegs in den 1850ern und des 2. Weltkriegs standen die Krimtataren auf der türkischen bzw. deutschen Seite – beides keine gute Wahl. Nach dem Krimkrieg kam es zu einer Massenflucht aus Angst vor russischen Repressalien, nach dem 2. Weltkrieg wurden die restlichen Krimtataren nach Zentralasien umgesiedelt. Beim Transport in Viehwaggons kam etwa die Hälfte von ihnen ums Leben. Erst 1988 durften sie auf die Krim zurückkehren.

Doch zurück zum Khan-Palast, der Anfang des 16. Jahrhunderts gebaut wurde. Zarin Katharina II. die Große und ihr Gefolge waren überwältigt von der märchenhaften orientalischen Pracht der Residenz. Wer bereits im Orient oder in Andalusien war, hat schon Besseres gesehen, aber schlecht ist es nicht.

"Brunnen der Liebe, lebendiger Brunnen
Ich habe dir zwei Rosen zum Geschenk gebracht.
Ich liebe dein ewiges Murmeln
und deine poetischen Tränen...."

So beginnt das Gedicht, das Alexander Puschkin über den Tränenbrunnen schrieb. Wahrscheinlich gibt es den Palast überhaupt noch wegen der Popularität dieses Gedichtes und eines Poems, das ebenfalls Puschkin über den Brunnen verfasste. Unter Stalin wurden sonst alle krimtatarischen Kulturdenkmäler vernichtet.


Ganz in der Nähe des Palastes liegt das Maria-Entschlafenskloster, das wir uns kurz ansehen.


In Balaklawa unternahmen wir eine Bootsfahrt. So etwas ist zwar immer schön, war so toll jetzt aber auch wieder nicht. Aber der Mythos lebt: Wir sind auf den Spuren des Odysseus gewandelt. Denn die Bucht beschreibt Homer im 10. Gesang seiner "Odyssee". In jedem Reiseführer ist von der die "Bucht ohne Sturm" die Rede, tatsächlich steht in der "Odyssee" "rings herrscht spiegelnde Stille".


Der Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts, der zwischen den europäischen Großmächten ausgefochten wurde, fand in Sewastopol seinen Hauptschauplatz. Die dramatischen kriegerischen Auseinandersetzungen und die heldenhafte 1 Jahr dauernde Verteidigung sind im Panorama-Museum dargestellt.

Im Wesentlichen kämpften Russland, das sich auf Kosten des Osmanischen Reiches vergrößern wollte, gegen dieses Reich als auch gegen England und Frankreich. In Wikipedia ist ein exzellenter Artikel über diesen Krieg.

Das Ergebnis des Krieges? Neben den vielen Toten und Verwundeten holten sich alle eine blutige Nase und einen leeren Geldbeutel. Am Schlimmsten traf es Russland, das in der Folge weit reichende Veränderungen in Verwaltung, Bildung und Militär vornehmen musste, was die Kassen noch weiter leerte. In dem Zusammenhang ist der Verkauf Alaskas an die USA im Jahre 1867 zu sehen. Die Russen werden sich deswegen heute noch in den Arsch beissen.

Österreich nahm zwar nicht aktiv am Krieg teil, mobilisierte jedoch seine Truppen an der russischen Grenze und band somit große Teile der russischen Armee, die nicht aktiv am Krieg teilnehmen konnten. Dies führte zum finanziellen Ruin Österreichs, das zu nachhaltigen Einsparungen in der Armee führte. Und damit zur Niederlage von 1866 gegen den Norddeutschen Bund unter Führung Preußens. Deutschland wurde wenig später unter Preußen geeint und Österreich aus Deutschland quasi raus geschmissen.

Weiters war der Krimkrieg der Auftakt zur modernen Kriegsberichterstattung. Die neuen Telegraphen machten es möglich: noch am selben Abend stand in den englischen Zeitungen, was am Vormittag passierte.

Nach einem verheerenden Sturm, der die englische und französische Flotte schwer traf, wurde die erste staatliche Wettervorhersage eingerichtet.

Florence Nithingale reformierte das Versorgungs- und Lazarettwesen, Nikolai Pirogow begründete die Feldchirurgie.

Unter den Verteidigern Sewastopols war der junge Leo Tolstoj, der 3 Erzählungen über den Krieg herausbrachte, die sehr schnell seine Popularität in Russland begründeten.

Die Mittagspause verbrachten wir im Zentrum Sewastopols. Nach dem Essen liefen wir etwas im Hafen herum. Hier war die russische Flotte nicht zu sehen und so besonders war der Rest der Stadt auch nicht.


Das antike Chersones liegt am Rand von Sewastopol an einer Bucht. Auf dem weitläufigen Gelände finden sich Überreste der antiken griechischen, aber auch der byzantinisch-mittelalterlichen Stadt.

Nicht zu übersehen ist die Kirche, die zu Ehren des Kiewer Fürsten Volodymyr errichtet wurde. Hier in Chersones soll Volodymyr vor über 1000 Jahren getauft worden sein und damit die Christianisierung des Ostens eingeleitet haben.

Mit der Taufe von Volodymyr hat unsere Reise in Kiew begonnen und hier endet sie. Ich stoße mit einem Glas Krimsekt auf das Ende der Reise an und verneige mich vor dem Publikum …


Wir hatten eine organisierte Studienreise, waren wohlbehütet und hatten keinerlei Probleme.

Außer in Kamenez-Podilsky, wo wir keine deutschen oder englischen Übersetzungen vorfanden, gab es keine Probleme mit dem Essen. Auch nicht als Vegetarier, obwohl ich nun wahrlich nicht die Hand ins Feuer legen möchte für die gesamte ukrainischen Gastronomie.

Richtig holprig waren die Straßen nicht, sehr gut aber auch nicht immer. Wer mit dem Auto im Lande rumkurven will, sollte das wissen.

Außer im Innenbereich der Sophienkathedrale und im Höhlenkloster (beide in Kiew) konnte beliebig fotografiert werden.

Außerhalb der touristischen Zentren sollte man in Bezug auf Hotels nicht wählerisch sein. Wir hatten so eines auf der Strecke zwischen Czernowitz und Odessa in Vinnitsia. Für eine Nacht in Ordnung, länger muss aber auch nicht sein.

Wer Postkarten kaufen möchte, sollte sich rechtzeitig erkundigen, wo er die bekommen kann. Auf offener Straße haben wir keine gesehen.

Begeistert waren wir von den Restauratoren und den schön hergerichteten Innenstädten (auch in eher kleineren Städten wie Brody oder Ivano-Frankivsk).

Beliebte Mitbringsel sind Krimsekt (der schmeckt besser als der nach Deutschland exportierte) und Kaviar (obwohl ich es nicht gut finde, Fischen den Bauch aufzuschlitzen).

Meistens waren die "Dienstleister" freundlich. Das ist aber nicht immer so. Es gibt so einen Typ "ukrainische Domina", der sein eigenes kleines Herrschaftsgebiet hat und einem das spüren lässt. Da ist die Bedienung im Restaurant mal mürrisch, wehe, man geht im Museum einen halben Schritt zu weit vor das Objekt … Gerne wird die eigene Frustration an Frauen ausgelassen. Bei der Einreise am Kiewer Flughafen hat die entsprechende Dame mit meiner Freundin einen kleinen Streit angefangen und wollte unbedingt wissen, mit welchem Schiff (!) sie denn gekommen sei. Mit anderen Frauen hat sie auch rumgezackert, mit Männern nicht.

Viele junge Frauen sind ausgesprochen sexy gekleidet, z.B. gibt es viele Miniröcke zu sehen. Auffallend ist auch, dass etliche junge Männer in Trainingsklamotten rum laufen, bevorzugt von "adidas", um ihre Sportlichkeit zu unterstreichen.

Das waren die Sachen, die wir selbst beobachten konnten. Anbei noch ein paar Informationen, die entweder von unserem glaubwürdigen Reiseleiter stammen oder von mir selbst recherchiert wurden:

Es gibt eine hohe Scheidungsrate mit der Konsequenz, dass viele Kinder von ihren Großmüttern erzogen werden. Die Jungs werden dabei so verhätschelt, dass sie meinen, etwas Besseres zu sein und ihre späteren Frauen entsprechend behandeln.

Es gibt so gut wie keine soziale Sicherung. Wer eine Operation braucht und das dafür notwendige Geld nicht aufbringen kann, der stirbt.

Auch die Kirchen machen so gut wie nichts im sozialen Bereich (wie im gesamten osteuropäischen Raum).

Nach der "Orangenen Revolution" im Jahr 2004 waren alle ukrainischen Reiseleiterinnen (in jeder größeren Stadt hatten wir eine jeweils angenehme ukrainische Begleitung) begeistert, heute nicht mehr. Laut unserem Reiseleiter wurde "nichts, aber auch gar nichts" von den Versprechen gehalten. Resultat ist ein Desinteresse an Politik von vielen Leuten.

In der Ukraine gab es nach der "Orangenen Revolution" Stimmen, in die NATO zu wollen. Ich hoffe, dass diese Scherzbolde sich mittlerweile eines Besseren besonnen haben. Schon allein des Bevölkerungsanteils der Russen auf der Krim und im Osten des Landes wegen würde es dann knallen. Unabhängig davon, wie sich der Staat Russland verhalten würde.

Man kann davon ausgehen, dass die Ukraine ein korruptes Land ist. Bei "transparency international" steht sie auf dem Ranking im Jahr 2011 auf dem letzten Platz in Europa und weltweit auf Platz 152. Es gruselt einem schon, wenn man liest, wer alles vor der Ukraine steht …

Zum aktuellen Fall Julija Tymoschenko. Über die Haftbedingungen kann ich mir kein Urteil erlauben. Aber dass die Unternehmerin, deren Vermögen auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt wird, die bereits 2001 in Untersuchungshaft einsaß (unter anderem wg. Steuerhinterziehung) und bis 2004 auf der Suchliste von Interpol stand (wg. angeblicher Bestechung von russischen Militärs) ein Engel der Unschuld sein soll, kann ich mir schlecht vorstellen. Aber da in diesem Land so ziemlich jeder der Entscheidungsträger Dreck am Stecken hat, ist dies natürlich ein politischer Prozess.

Im Alltag sollten sich die Autofahrer unter den Reisenden vor der Polizei in Acht nehmen: Unser Reiseleiter wurde vor ein paar Jahren auf der Autobahn angehalten und es wurde behauptet, er sei zu schnell gefahren und solle ein entsprechendes Bußgeld zahlen …

Das sollte jetzt niemanden davon abhalten, in die Ukraine zu reisen. Die Krim sowie die Städte Odessa, Kiew, Lemberg und Czernowitz sind alle eine Reise wert und ich hoffe, dass ich mit meinen Berichten den Einen oder Anderen auf den Geschmack gebracht habe.